Spätestens seit dem Dürresommer 2018 ist klar, dass unsere heutigen Wälder nicht für den aktuellen und bevorstehenden Klimawandel gewappnet sind. Schon mit der aktuellen Erhöhung von rund 2.0 °C in der Schweiz kommen regional gewisse Baumarten an ihre Grenzen. Sie werden anfällig gegenüber Extremereignissen, die durch das sich ändernde Klima häufiger werden. Damit dies nicht zu einem grossflächigen Absterben der Bäume in unseren Wäldern führt, muss schnellstmöglich gehandelt und schon heute die Baumartenzusammensetzung an das wesentlich wärmere und trockenere Klima angepasst werden.
Klimawandel der Region Basel
In Basel stieg die jährliche Durchschnittstemperatur innerhalb eines Jahrhunderts von 9.6 °C um 1.6 °C auf 11.2 °C an (Durchschnitt 1900-1919 bzw. 2000-2019, Messstation Basel-Binningen 1IDAweb, Datenportal für Lehre und Forschung: https://gate.meteoswiss.ch/idaweb/more.do?language=de). Somit ist Basel in dieser Zeit vom temperierten zum submediterranen Klima gewechselt.
Der Dürresommer von 2018 hat schweizweit schon unter den heutigen klimatischen Bedingungen tausende Bäume zum Absterben gebracht – sei es direkt durch Vertrocknen oder vor allem indirekt durch Langzeitschäden wie Infektionen durch Krankheitserreger oder Parasiten, welche bei den stark geschwächten Bäumen leichtes Spiel hatten.
In den kommenden 30 Jahren wird die hiesige jährliche Durchschnittstemperatur voraussichtlich auf rund 13 °C ansteigen und somit wie Locarno vom submediterranen ins mediterrane Klima wechseln. Dies jedoch mit weniger als der Hälfte des jährlichen Niederschlags, was den Wald in der Region Basel noch anfälliger auf das geänderte Klima macht. Wenn wir die globalen Treibhausgasemissionen nicht umgehend stark reduzieren, wird bis zum Ende dieses Jahrhunderts die hiesige Jahresdurchschnittstemperatur um weitere 1 bis 3 °C auf 14 bis 16 °C steigen.
Bäume können mit dem Klimawandel nicht mithalten
Keine der bisher regional vorkommenden Baumarten wird diesen Klimaveränderungen gewachsen sein2Weitere Information zum Thema z.B. in diesem Artikel: Klimawandel – zu schnell für jeden Baum https://www.waldwissen.net/wald/klima/wandel_co2/lwf_klimawandel_schnell/index_DE. Die Frage ist nur, wie schnell und wie weit wir den Temperaturbereich verlassen werden, den unsere heutigen Baumarten verkraften können.
«Wenn wir jetzt nicht handeln und unsere Wälder fit für den Klimawandel machen, werden wir relativ bald vor einem Desaster stehen.»
Praktisch alle heute in Europa natürlich vorkommenden Pflanzen- und Tierarten haben die letzten eiszeitlichen Kälteperioden in einem mehr oder weniger schmalen Streifen rund um das Mittelmeer überdauert3Refugien in Europa während der Eiszeit https://science.sciencemag.org/content/300/5625/1563 – mit Ausnahme der an Kälte angepassten Arten, die wir heute noch in der Tundra, Taiga und dem Hochgebirge finden4Refugien während der letzten Eiszeit – Unterschiede zwischen borealen und temperaten Arten https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2745.2008.01422.x.
Von der Geschichte der Europäischen Wälder lernen
Biogeographisch und ökologisch bildeten die europäischen Arten also über lange Zeit mehr oder weniger eine Einheit und überschneiden sich in den Übergangszonen vom temperierten zum mediterranen Klima noch heute. Es ist anzunehmen, dass viele unserer heimischen Tierarten auch heute noch eine potentielle Anpassung an Arten aufweisen, welche heute gar nicht mehr mit ihnen im gleichen Gebiet vorkommen.
Als Beispiel hierfür ist beispielsweise die Esskastanie (Marroni/Castanea sativa) zu nennen. Sie überdauerte ebenfalls am Mittelmeer in mindestens zwei Refugialgebieten in der Region von Griechenland und der Türkei im Osten und in der Region von Italien und Spanien im Westen5Microsatellite markers reveal a strong geographical structure in European populations of Castanea sativa (Fagaceae): Evidence for multiple glacial refugia https://bsapubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.3732/ajb.1200194. Erst durch die Römer wurde sie wieder nördlich der Alpen im geringen Umfang verbreitet. Trotz der (von einem menschlichen Blickwinkel betrachtet) langen Trennung der Verbreitungsgebiete konnte nachgewiesen werden, dass Esskastanien in Deutschland eine mit den heimischen Eichen vergleichbare Biodiversität an Käfer- und Pilzarten beherbergen6Untersuchungen zum Beitrag der Edelkastanie zur Biodiversität https://cms.waldwissen.net/wald/naturschutz/arten/fva_edelkastanie_biotop/index_DE/edit/originalartikel.pdf.
Biogeographisch ähneln sich noch heute die Waldgemeinschaften in Europa, dem nahen Osten und im Iran in vielen Aspekten, so sind auch unsere heimischen Eichenarten in diesen Regionen zu finden 7Verbreitung von Quercus robur und Quercus petraea https://www.researchgate.net/profile/Giovanni_Caudullo/publication/299471357_Quercus_robur_and_Quercus_petraea_in_Europe_distribution_habitat_usage_and_threats/links/570b71aa08ae8883a1fe1b7a.pdf oder https://www.sid.ir/en/journal/ViewPaper.aspx?id=488039. Rund um das Mittelmeer gibt es unzählige Baumarten, welche uns in Mitteleuropa nur wenig oder gar nicht bekannt sind8z.B. alleine bei den Eichen unter anderem Quercus faginea, Q. ithaburensis, Q. castaneifolia, Q. libani, Q. macrolepis, Q. trojana, Q. look, Q. pyrenaica, die mediterranen Tannenarten Abies pinsapo, A. numidica, A. nebrodensis etc. und viele mehr. Viele dieser Arten haben heute oft nur noch ein relativ kleines Verbreitungsgebiet und sind teilweise selbst vom Aussterben bedroht. Jedoch haben viele von ihnen das Potential, den notwendigen Waldumbau so zu gestalten, dass er sowohl ökologisch als auch forstwirtschaftlich Erfolgreich durchzuführen wäre.
Alte Fehler werden Wiederholt
Leider werden jedoch in der Forstwirtschaft auch heute oft die gleichen Fehler begangen, wie sie schon im letzten Jahrhundert gemacht wurden. Zur Anpassung an den Klimawandel werden Bäume wie die nordamerikansche Douglasie verwendet. Ihre forstwirtschaftliche Eignung im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist jedoch fragwürdig, vor allem die in Europa verwendeten Herkunft, welche an relativ feuchtes Gebirgsklima angepasst ist9Climate Response of Douglas Fir Reveals Recently Increased Sensitivity to Drought Stress in Central Europe https://www.mdpi.com/1999-4907/10/2/97 Native-source climate determines the Douglas-fir potential of adaptation to drought https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378112718323715. Zudem beherbergt diese Art tendenziell eine weniger hohe Biodiversität bzw. vor allem bei Arten, welche keine grossen Ansprüche an ihren Lebensraum haben10Auswirkungen der Douglasie auf die Waldbiodiversität https://www.waldwissen.net/wald/naturschutz/wsl_douglasie_waldbiodiversitaet/index_DE.
Auch sonst in der Forstwirtschaft oft auf Arten mit nordamerikanischer Herkunft gesetzt11z.B. hier https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/waldbau/umbau/bfw_fichtenersatz/index_DE, welche sich bei genauer Betrachtung weder für ein wärmeres und trockeneres Klima eignen, ökologisch fragwürdig sind und sich höchstens als Beimischung in einen Waldbestand eignen.
Durch den Klimawandel hat sich unsere Umwelt schon stark geändert. In Basel herrscht jetzt submediterranes Klima und es wird sich in Zukunft noch viel stärker erwärmen.
Es wäre mir auch lieber, wenn wir jetzt noch 200 Jahre Zeit hätten, die ökologischen Auswirkungen der verschiedenen Baumarten des Mittelmeerraumes und des nahen Ostens im Waldbau genau zu studieren. Leider haben wir aufgrund der akuten Situation nicht die benötigte Zeit die dazu nötig wäre. Aufgrund diverser biogeographischer und ökologischer Erkenntnisse können wir aber mit einer sehr grossen Sicherheit sagen: mit Baumarten aus dem Mittelmeerraum ist es möglich, welche eine hohe ökologische Vielfalt mit einem forstwirtschaftliche Mehrwert zu verbinden.
Wir haben jetzt schon keine Zeit mehr – handeln wir jetzt!
Und der Umbau unserer Wälder muss sehr bald beginnen. Wenn wir jetzt nicht handeln und unsere Wälder fit für den Klimawandel machen, werden wir relativ bald vor einem Desaster stehen. Im besten Fall bezieht sich dies nur auf die schon heute relativ warmen Tieflagen oder Karstregionen wie dem Jurabogen. Wenn wir den weltweiten Ausstoss an Treibhausgasen nicht bald in den Griff bekommen, werden davon jedoch voraussichtlich ein Grossteil der Schweiz akut betroffen sein.