In der Diskussion um die Auswirkungen des Klimawandels liegt der Fokus heutzutage auf der sich erhöhenden Temperatur und auf Änderungen im Niederschlag. Für den Wasserhaushalt von Pflanzen und einer Region ist aber eine weitere Grösse von zentraler Rolle, welcher sich viele nicht bewusst sind: Das Sättigungsdefizit der Luft an Wasserdampf (kurz VPD, Vapour-pressure deficit), welche die Trockenheit der Atmosphäre beschreibt. Trockener Boden erschwert oder verunmöglicht die Wasseraufnahme von Pflanzen, atmosphärische Trockenheit entzieht der Vegetation und dem Boden Wasser und trocknet diese somit weiter aus.
Luft kann nur eine gewisse Menge an Wasserdampf aufnehmen – je näher der Wassergehalt der Luft an diesem Grenzwert ist, desto langsamer verdunstet Wasser aus dem Boden oder wird langsamer von Pflanzen transpiriert und wenn dieser Grenzwert erreicht wird, verdunstet gar kein weiteres Wasser. Wie viel Wasserdampf von der Luft aufgenommen werden kann, hängt dabei von ihrer Temperatur ab und steigt exponentiell mit steigender Temperatur an (Grafik 1, kann online z.B. hier berechnet werden).
Steigt also die Lufttemperatur an, kann diese wesentlich mehr Wasser aufnehmen. Zwar verdunstet bei einer höheren Temperatur auch mehr Wasser, jedoch ist z.B. an Land die Menge an Wasser begrenzt. Dadurch weist der Wassergehalt der Luft tendenziell ein höheres Defizit auf, je höher die Temperatur ansteigt. Dieses Defizit ist die Differenz zwischen des potentiell maximalen Wassergehalts der Luft und ihres tatsächlichen Wassergehalts (Grafik 2 a und b) – in der Fachsprache spricht man vom Sättigungsdefizit der Luft, auf englisch Vapour-pressure deficit oder kurz VPD (in kPa). Dieser VPD kann als eine «Kraft» verstanden werden, welche die Verdunstung von Wasser aus dem Boden und Gewässern oder die Transpiration (das «Schwitzen) bei Pflanzen vorantreibt. Als Faustregel gilt, dass ein VPD von 1 kPa für Pflanzen optimal ist – sie verdunsten nicht zu viel Wasser, aber genug, damit sie ausreichend Nährstoffe zu den Blättern transportieren können.
Gewisse Regionen haben aufgrund ihres Klimas auf natürliche Weise ganz unterschiedliche Voraussetzungen, wie gross der VPD sein kann. Wenn man sich die Grafiken 3 und 4 ansieht erkennt man, dass der VPD bei einer Temperatur von 20 °C nur wenig höher als 2 kPa steigen kann und dass bei einer hohen relativen Luftfeuchtigkeit die Temperatur sehr hoch werden muss, damit ein hoher VPD erreicht wird. Man kann sich also gut vorstellen, dass in relativ kühlen und feuchten Regionen wie den Alpen, der französischen Atlantikküste oder in Grossbritanien die Luft nie sehr trocken werden kann. Die dort vorkommende Vegetation ist an diese Bedingungen angepasst, sie haben also meistens keinen speziellen Schutz vor verstärkter Verdunstung durch eine trockene Atmosphäre.
Steigt nun durch den Klimawandel die Temperatur stark an oder verringert sich die relative Luftfeuchtigkeit durch geringere Niederschläge, wird die Luft auch viel trockener und Pflanzen verdunsten mehr Wasser (Grafik 5). Dadurch wird einerseits dem Boden Wasser entzogen, andererseits können Pflanzen auch direkten Schaden nehmen, wenn sie mehr verdunsten, als das sie wieder aufnehmen können. Als Resultat füllen sich ihre Leitbahnen, mit denen sie Wasser und Nährstoffe zu den Blättern transportieren, mit Luft, wodurch dieser Transport unterbrochen wird und die Pflanzen beginnen zu welken. Dadurch können Pflanzen absterben, obwohl der Boden eigentlich noch genügend Wasser enthalten würde.
Die atmosphärische Trockenheit gibt uns also weitere Informationen darüber, wie stark Pflanzen an Trockenheit leiden und ob gewisse Pflanzenarten in einer Region in Zukunft noch überleben können. Wie bei allen klimatischen Parametern spielt hierbei nicht die Mittelwerte sondern die Extremwerte eine entscheidende Rolle. Ist z.B. die Wasserversorgung im Sommer im Durchschnitt zwar gegeben, vertrocknen viele bei uns vorkommenden Pflanzenarten trotzdem, wenn der Wassergehalt des Bodens auch nur für ein paar Tage unter einen gewissen Schwellenwert sinkt oder die Luft für eine längere Zeit im Sommer den Pflanzen zu viel Wasser entzieht (Bild 1).